Freutag …
Juhu – heute ist FREUTAG …..was soviel heißt wie Freitag, aber weil sich der arbeitende Mitbürger genau wie der Schüler wie verrückt auf’s Wochenende freut, ist es eben der FREUTAG.
…und gewöhnlicher Weise hat dieser Tag bei mir immer recht „eingefahrene Wege“: wie jeden Morgen der Arbeitswoche ins Büro fahren, auf dem Weg dahin mein Pupertier bei der Schule raus lassen. Im Büro angekommen, schnappe ich mir die großen Gießkannen und spiele erst einmal Gärtnerin. Vor meiner Bürotür befindet sich so etwas wie ein Lichthof, der von allerlei wild vor sich hin rankenden Grünpflanzen gesäumt wird. Dessen Pflege obliegt den „Facility-Managern“ aber aus einer Mischung Eigennutz und Menschenfreundlichkeit heraus (ich kann neben den großen Gießkannen auch noch die von der Firma bereit gestellten Düngemittel für die Pflanzen auch für meine in meinem Büro befindlichen Pflanzen nutzen und die beiden Hausmeister brauchen nicht jeden Freitag extra durch das ganze Gebäude bis unters Dach gehen um die Pflanzen zu gießen) habe ich mit den beiden Herren einen Deal – ich übernehme das Gießen (im Sommer auch gerne öfter als einmal die Woche) und die zwei kümmern sich darum, wenn ich im Urlaub oder krank bin und stellen mir auf Zuruf den Pflanzendünger zur Verfügung.
Danach wie jeden Morgen Mails checken, Posteingang vom vergangenen Nachmittag durchsehen und mal einen groben Plan machen, was heute – am heiligen Freutag – wann und in welcher Reihenfolge bearbeitet werden muss.
doch dann ….
kam die Mail, die meinen Tag verändert hat.
Eine Kollegin teilte mir mit, dass mein ehemaliger Chef kurz vor seinem 67.-ten Geburtstag nach nur knapp 2 Jahren im Ruhestand plötzlich und völlig unerwartet verstorben ist.
WAM —- 1000 Bilder gingen mir in dem Moment durch meinen Kopf.
Er war in einer (Berufs-)welt, die ich persönlich als sehr unmenschlich empfunden hatte (ich war mal ein paar Jahre im Personalwesen beschäftigt) ein wundervoller, warmherziger und unglaublich schlauer Mensch, den ich fast immer mit einem Lächeln im Gesicht gesehen habe. Selbst wenn mal alles schief zu laufen schien, war es sein Lächeln und ein witziger Kommentar, der von einer Sekunde auf die andere die Sonne wieder scheinen ließ. Er hat so viel Unangenehmes abgefangen und lieber selber getragen anstatt es – wie die meisten Chefs die ich kenne – ungefiltert nach unten weiter zu geben.
Ich hab in den letzten 8 Jahren, in denen ich schon nicht mehr im Personalwesen arbeite, oft an ihn gedacht und spätestens, wenn ich mit Beamtenrecht konfrontiert werde (Erbrecht und Beamtenrecht kann ich nicht leiden…) denke ich an ihn, muss lächeln und wünschte mir, er würde neben mir stehen, mir auf die Schulter klopfen und mit seiner wundervollen Ruhe erklären, worauf ich achten muss und warum.
Nun lebt er nicht mehr …
…und bei mir tut sich automatisch die Frage auf – kann es DAS gewesen sein im Leben?
Das man sich Jahrelang alles Mögliche und Unmögliche antut, antuen lässt, nur damit „alles seine Ordnung hat“? Das man -aus dienstrechtlichen Gründen- Entscheidungen mittragen muss, die man persönlich als himmelschreiende Ungerechtigkeit bezeichnen würde? Das man bis zum Schluss alle Warnungen, die der eigene Körper aussendet, missachtet, beiseite schiebt und sich und seiner Umwelt großspurig verkündet „wenn ich im Ruhestand bin, lass ich es aber krachen“?!?!
Er ist nicht der erste Mensch, der kurz nach Eintritt in den Ruhestand verstirbt. Ich hatte in der Nachbarschaft einen Mann wohnen, der hat es bis kurz vor den Eintritt in den Ruhestand geschafft und dann … NIX mehr ….
1000 Fragezeichen…
Nicht zum ersten Mal taucht zwischen den ganzen Bildern von meinem ehemaligen Chef bei mir die Frage auf, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn ich -noch ziemlich genau 3 Wochen lang zarte 50 Jahre jung- mich so langsam aber sicher einmal intensiv damit beschäftigen sollte, ob es nicht noch andere Möglichkeiten in meinem Leben gibt, die außerhalb des täglichen Arbeitsalltages liegen.
Ich bin bereits jetzt -was das Arbeitspensum angeht- gegenüber einem vollzeitberufstätigen Menschen privilegiert: ich beziehe eine Teilerwerbsminderungsrente und arbeite „nur noch“ Halbtags. Allerdings hab ich mir das mit der Rente ja nicht ausgesucht, weil ich keinen Bock mehr auf’s Arbeiten hatte. Auch wenn man mir (meistens und Gott sei Dank) äußerlich nicht ansieht, dass ich mit dem blinden Passagier MS leben muss, geht dieses MonSter ja nicht weg und weiß durchaus, wie es mich piesacken kann.
Ich habe aber auch festgestellt, dass ich mit meinem Halbtagsjob eigentlich wesentlicher intensiver arbeiten muss, als zu der Zeit, als ich noch voll arbeiten konnte. Während jemand, der 8 Stunden täglich arbeitet, eine Arbeitsunterbrechung (warum auch immer) über den Tag hinweg einigermaßen kompensieren kann, habe ich diese Möglichkeit nicht mehr. Wenn meine Technik im Büro nicht einwandfrei arbeitet und ich z.B. insgesamt 1/2 -1 Stunde täglich darauf warten muss, dass bestimmte Dokumente ausgedruckt werden, ohne die ich nicht weiter arbeiten kann, dann ist ganz schnell ein viertel meines Arbeitstages „verlorene Zeit“ und die kann ich nie und nimmer in der restlichen Zeit kompensieren. Unterm Strich heißt das, eigentlich habe ich zwar quantitativ weniger Sachen zu bearbeiten als meine „Vollzeitkollegen“ (wobei nur halb so viel Arbeit nicht stimmt, die Relationen sind nicht so ganz gerecht verteilt) mehr Stress habe ich aber trotzdem.
Und spätestens heute stehen die 1000 Fragezeichen sehr deutlich über mir – will/kann ich das noch bis zu meinem regulären Renteneintrittsalter durchhalten? Niemand weiß, wie es mit meinem blinden Passagier weiter geht – das sind schon zwei Risikofaktoren mehr die dafür sorgen, dass sich vor meinem geistigen Auge gerade alles andere als rosige Zukunftstendenzen auftun.
Als hätte ich es geahnt, habe ich mir vor ein paar Tagen einen Termin bei der Deutschen Rentenversicherung gemacht um mich darüber informieren zu lassen, mit wie wenig Geld ich wohl auskommen müsste, wenn ich eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen würde.
….es bleibt spannend…ich werde berichten
eure Steffi
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